Interview mit dem Künstler Hartmut Richard Schröger

Künstler Hartmut Richard Schröger

In der WOLL-Winterausgabe für die Region Schmallenberg/Eslohe wurde eine Skulptur mit der Anmutung „Mutter Gottes“ vorgestellt: ein Werk von Künstler Hartmut Richard Schröger aus Eslohe-Büenfeld. Wir wollten etwas mehr über den Künstler aus dem malerischen Dorf erfahren und haben ihn besucht. Sein Studio liegt im Erdgeschoss ehemaliger Stallungen.
WOLL: Der Loft-Charakter bietet den idealen Rahmen für Ihre Kunst- und Design-Arbeiten. Das findet man selten.
Hartmut Richard Schröger: Wir nutzen diesen Raum als Büro und Studio zur Inszenierung malerischer Wände und ausgewählter Exponate.
WOLL: In der WOLL-Dezemberausgabe wurde ein visionäres Kunstwerk von Ihnen vorgestellt, das dem Betrachter auch als „Maria Gottes“ anmutet. Was hat es damit auf sich?
Hartmut Richard Schröger: Mein Vers und die Skulptur zeigen eine Auseinandersetzung mit dem Ursprung. Wachstum zu erleben und sich die Frage zu stellen, wo kommt es her und wie funktioniert das Leben, ist eine Auseinandersetzung mit dem Ursprung. Nehmen wir den Bezug zu meinem Namen. Der Nachname Schröger zeugt vom Stamm, von der Herkunft. Der Vorname Hartmut Richard vom Individuum – von den Fähigkeiten und Potentialen. Kunst ist immer eine Auseinandersetzung mit dem Dasein, sozusagen ein Erbe der Vorfahren, nur erwidert in der Komplexität seiner Aussagen.

Künstler Hartmut Richard Schröger - Skulptur "Mutter Gottes", Bronze

Skulptur „Mutter Gottes“, Bronze


WOLL: Verschiedene Kunstformen vermitteln bestimmte Aussagen. Welche Haltung gibt Ihre Kunst wieder?
Hartmut Richard Schröger: Anders als heute, wo viele dieser Kunstformen kaum noch relevante Aussagen vermitteln, ist meine Kunst eine Haltung, ein bestimmter Blick auf das Leben. Gestaltung erleben ist heute oft nur mit Information geflutet, mit Inhalt. Der Inhalt ist austauschbar, eine Haltung muss man sich erwerben. Die Form repräsentiert die Haltung. Ich sage: „Ich bin ein Kunstwerk“ aus dem Gewordenen. Daraus bildet sich die Möglichkeit selber zu machen. Ich stelle mich auf die Stufe des von mir Gemachten, auf die Ebene von allem Gemachten. Ich bin gemacht, somit kann ich selber machen. Das ist meine Haltung.
WOLL: Das heißt, jeder ist ein Künstler?
Hartmut Richard Schröger: Ich sage: „Ich bin ein Kunstwerk“, das bedeutet gleichermaßen: „Jeder ist ein Kunstwerk.“ Das impliziert, dass jeder seinen Ursprung bedenkt, aus dem er entstanden ist, und erkennt, dass es nicht das eigene Werk ist, entstanden zu sein, auch nicht das der Eltern, sondern man entsteht aus der Kraft, die alles bildet. Betrachtet man sich selbst als Kunstwerk, ist Ehrfurcht und Demut anwesend. Das ist ein neuer Zeit-Gedanke, wenn man so will, ein neuer Zeitgeist, und erweitert den Kunstbegriff auf das Wesentliche, was Kunst im eigentlichen Sinne war, nämlich die Tageszeitung höherer Entwicklungen oder der aktuelle Tagesbericht der sich verändernden Welt.
Mir ist es wichtig, in jedem Werk den Ursprung zu transportieren. Dieser fehlende Bezug lässt den Menschen schwanken, sich selbst überhöhen oder radikal werden. Er verliert durch den Verlust des Sinnbezuges nicht nur das Ermitteln des eigenen Lebenssinns, sondern auch den Sinn für die Gefahr der Verleitung, die Gefahr der Selbstsucht und die Gefahr des „Sich selbst Verdauens“.
WOLL: In Ihren Skizzenbüchern bilden Sie diese aktuellen Querbezüge?
Hartmut Richard Schröger: Die aktuell starken Einzelbestrebungen, das Solidarsystem zu verlassen, siehe Panama Papers, oder auch Radikalisierungen und so weiter, ist eine Vereitelung des Lebens. Leben funktioniert nur über Zirkulation: Blut, Pflanze, Kommune, Staat. Die aktuellen Abgrenzungsbestrebungen, u. a. in der Flüchtlingsfrage, sind ein Zeichen für die Negierung des eigenen Ursprungs; letzten Endes ist all dies ein Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit, Probleme zu überwinden. Auch in der Kunst geht es oftmals zu wie in einem Bordell, schnelle Befriedigung ohne Tiefgang oder starkes Bestreben der Selbstinszenierung: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
In der heutigen Zeit ist sinnhafte Kunst notwendiger denn je. Der bedeutendste Aspekt ist der, die Keimzelle des Lebens über die Wahrnehmung und Auseinandersetzung wach zu halten, damit der Mensch sich nicht vom Menschsein entfernt. „Ich bin ein Kunstwerk“ impliziert, dass jeder eine Herkunft hat, die aus irgendeinem Grund oder einer Veranlassung heraus jeden geschöpft hat, mit dem, was jeden Menschen als besonders auszeichnet, womit er geplant, skizziert oder entworfen wurde. Nicht dass es einen festgelegten Plan geben würde, aber es gibt eine Bündelung von Ereignissen, die dazu führen, ein Leben zu entwerfen und zu entwickeln, eben zu schöpfen. Dass es so etwas gibt, sollte jeden staunen lassen, denn wir können uns nur teilweise daran beweisen, es dem gleich zu tun.
WOLL: Wie unterscheidet sich Ihrer Meinung nach der Designer vom bildenden Künstler?
Hartmut Richard Schröger: Wenn man Kunst und Design in einen direkten Vergleich stellt, ist Kunst eine Aussage zur Aussicht der vergangenen Zukunft, Design ist die Situationskomik dazu. Design wird heute stark dazu dezimiert, Kaufanreize zu schaffen. Design ist eigentlich etwas ganz anderes als bloß den Dingen eine wohlgefällige Form zu verpassen. Wir beurteilen nur noch die Hülle. Die Farbgestaltungen meiner Designkonzepte bilden eine Skulptur von innen. Dreht man diesen Raum auf links, erhält man eine Skulptur im Außen. Wichtig bei beiden ist, den Menschen aus seinen gewohnten Zusammenhängen herauszuholen. Das Produkt selbst verteilt die Vision. Statt uniform ist jedes Projekt, jede Skulptur, jedes Bild einzigartig. Ebenso wie das Leben alles nur einmal erzeugt.
WOLL: Herr Schröger, wir bedanken uns bei Ihnen für das Gespräch und den Einblick in die tiefen Gedanken eines Künstlers.

Von Ursel Schöne und Herman- J. Hoffe

 
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