„Wenholthausen ist meine Stadt“

Berhane Tekleab hat es geschafft: Nach 10-jähriger Zwangsarbeit in der Armee floh der 46-Jährige aus Eritrea. Über den Sudan, Libyen, die Sahara und das Mittelmeer erreichte er Europa und schließlich seine neue Heimat Wenholthausen. Hier startet er nun mit neuem Job und neuen Freunden bei Landgasthof Seemer von vorne.
Strahlend betritt er das Restaurant, kommt direkt aus der Küche, seinem neuen Arbeitsplatz. Berhane Tekleab ist 46 Jahre alt und seit 2014 in Wenholthausen zu Hause. Hier hat er nach seiner Flucht aus Eritrea bei Landgasthof Seemer eine Chance als Mitarbeiter in der Küche erhalten. Was mit Spülen und Müll trennen begann, hat sich nun zu einem anspruchsvollen Arbeitsplatz entwickelt: Tekleab bereitet zahlreiche Speisen vor, vom Strammen Max über Spargel bis zum Eisbecher. Alexandra Weißenfels-Seemer, Mitinhaberin des Landgasthofes, zeigt ihm nicht nur deutsche Gerichte, sondern hilft ihm auch in alltäglichen Dingen weiter. „Schön, schöner, am schönsten“, üben die beiden während der Arbeit die deutsche Sprache.
„Ich habe hier mehr gefunden als Arbeit. Hier ist meine zweite Familie“, schwärmt Tekleab von seinem neuen Zuhause. Und auch seine Chefin ist begeistert: „Seit Berhane da ist, hat sich auch unsere Einstellung zu vielen Dingen verändert. Wir sprechen im Betrieb mit jüngeren Mitarbeitern darüber, wie wichtig Demokratie ist. Dazu trägt Berhane bei! Er erdet uns unheimlich.“
Dass Tekleabs Schicksal dafür sorgt, den einen oder anderen auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen, ist mehr als verständlich.
Zehn Jahre wurde er in der Armee in Eritrea festgehalten, durfte seine Familie nur alle zwei Jahre für zwei Wochen sehen. Als Maler und Taxifahrer schlug er sich durch, verließ 2012 Eritrea. Seine Flucht scheint alles zu beinhalten, was die meisten nur aus dem Fernsehen kennen: Über den Sudan ging es durch die Sahara nach Libyen. 127 Männer und Frauen fuhren 21 Tage in einem LKW durch die Sahara, Autopanne, Hunger und Durst inklusive. Nach zehn Tagen in Libyen ging es mit dem viel zu vollen Boot nach Italien – vor Sizilien kenterte es, 30 Insassen ertranken. Schließlich kam er über Dortmund und die Zentralunterkunft in Burbach nach Wenholthausen. Zurück ließ er seine Eltern, seine Frau und seine zwei Kinder. Zu ihnen hat er nur telefonisch Kontakt.
Kontakte in Wenholthausen hatte er kaum. Bei einer ehrenamtlichen Helferin lernte er deutsch und kam auch über Ehrenamtliche zum Landgasthof Seemer. Hier machte er zunächst ein von der Mescheder Arbeitsagentur finanziertes Praktikum, damit sich beide Seiten besser kennenlernen konnten. Sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit unterschrieben sie den Arbeitsvertrag. „Wir haben im Hotel- und Gaststättengewerbe einen großen Fachkräftebedarf“, stellt Alexandra Weißenfels-Seemer fest. „Um Mitarbeiter zu gewinnen, haben wir bereits sehr viel Geld in die Hand genommen und sind unterschiedlichste Wege gegangen. Mit Berhane haben wir einen engagierten und lernwilligen neuen Mitarbeiter im Team. Ich möchte wirklich betonen: das ist für uns keine Notlösung!“
Mit dem Arbeitgeberservice der Mescheder Arbeitsagentur ist Weißenfels-Seemer ebenso zufrieden. „Die Kollegin der Arbeitsagentur hatte für uns wichtige Termine – auch mit der Ausländerbehörde – immer mit auf dem Schirm. Ganz ehrlich: Wie cool ist das denn“, betont Weißenfels-Seemer. Berhane Tekleab hat sich sehr gut eingelebt in Wenholthausen, spielt in der Mannschaft Fußball, geht wandern und Fahrrad fahren. „Schön, schöner, am schönsten“, beherrscht er mittlerweile perfekt, schließlich hat er ein sehr gutes Ergebnis seines Sprachkurses erreicht und seine erste Biographie auf Deutsch gelesen: „Slatan Ibrahimovic“. Was für ihn wichtig ist, sind keine materiellen Dinge: „Ich brauche Freiheit“, lächelt er.